In Fürstenwalde und Strausberg wurden große Flugplätze hergerichtet, und plötzlich hörten wir Ende 1934, dass der Graf von Hardenberg das bisherige Mittelfeld auf 99 Jahre an den Staat für 25 Mark je Morgen verpachtet hätte. Im Winter 1934 begann nun der Ausbau des Flugplatzes Neuhardenberg. Etwa 400 Arbeiter aus der Umgebung wurden mit Einebnungsarbeiten beschäftigt. Mit einem Schlage war dadurch die Arbeitslosigkeit beseitigt. Um den Platz zu vergrößern, wurden 100 Morgen Wald abgeholzt. Noch mitten in den Aufbauarbeiten entwickelte sich die fliegerische Tätigkeit.
Im März 1937 wurden auf dem Flugplatz Neuhardenberg die ersten Raketenflugzeuge erprobt. Über diese Versuche schreibt Heinkel in seiner Biografie "Stürmisches Leben" Mundus Verlag - Stuttgart folgendes:
"Im November 1935 lernte ich einen jungen Mann kennen, der heute Weltruhm genießt, damals aber unbekannt war. Wernher von Braun, wie dieser junge Mann hieß, hatte sich schon als Primaner leidenschaftlich mit der Entwicklung von Raketen befasst. Im November 1935 war er mit der praktischen Erprobung eines primitiven Raketentriebwerks beschäftigt, dessen Treibstoffe hochprozentiger Spiritus und flüssiger Sauerstoff waren.
"Mit diesem Raketentriebwerk, sagte mir von Braun, muss man ein Flugzeug antreiben können. Dazu brauche ich ein Flugzeug, das ich zunächst zusätzlich mit einem Raketentriebwerk ausrüsten kann. Ich bin der Meinung, dass ein He 112 Rumpf der geeignetste sei. Es muss allerdings alles geheimgehalten werden."
He 111 mit HWK-Starhilfsrakete
Ich stellte Braun nach den ersten Unterredungen unter strengster Geheimhaltung einen Rumpf der He 112 mit Fahrwerk und darüber hinaus eine Gruppe von Flugzeugtechnikern unter der Führung von des Ingenieurs Walter Künzel zur Verfügung. Braun erhielt auch einen Piloten, der den Mut und die Fähigkeit besaß, als Versuchsflieger den so revolutionären Weg des Raketenflugzeuges mitzugehen. Es war Erich Warsitz, der bis dahin als Versuchsflieger in Rechlin tätig gewesen war.
Die ersten Standversuche fanden in Kummersdorf statt, und zwar jeder auf Leben und Tod der unmittelbar Beteiligten und zumal des Piloten Erich Warsitz. Zu von Braun wurden dann noch die Chefkonstrukteure Gebrüder Grimm und der Ingenieur Schwärzler sowie der erst 24 jährige von Ohain aus Göttingen hinzugezogen. Mit ihnen begann in Deutschland, auf eigene Faust, ohne Wissen irgendeiner offiziellen Stelle, Entwicklung und Bau des Turbinen- und Strahltriebwerkes.
Nach vielen Rückschlägen bat mich Wernher von Braun, ihm eine vollständige flugklare He 112 mit Kolbenmotor zur Verfügung zu stellen. Er wollte sein Raketentriebwerk zusätzlich in ein Motorflugzeug einbauen. Er wollte dieses Triebwerk einschalten, nachdem das Flugzeug mit Hilfe des Kolbenmotors Höhe erreicht hatte. Warsitz sollte dann im Flug die Wirkung des Raketentriebwerks erproben.
Ich stimmte zu. Wernher von Braun, Erich Warsitz und meine Werksgruppe Künzel siedelten mit einer vollständigen He 112 auf einen abgelegenen Flugplatz, - Neuhardenberg - , über, der nur als Einsatzflughafen für den Kriegsfall gedacht und im Frieden völlig verlassen war.
Dort unternahmen sie im März 1937 die ersten Flugversuche. Glücklicherweise ließen sie vor dem Start zum ersten Flug das Raketentriebwerk noch einige Male im Stand anlaufen. Warsitz, eingezwängt zwischen den hochexplosiven Tanks mit Spiritus und flüssigem Sauerstoff, musste jeweils warten, bis der Druck in den Tanks eine bestimmte Höhe erreicht hatte. Erst dann konnte er durch den Hebel das Einströmen der Brennstoffe in die Brennkammer und deren Zünden veranlassen. Danach musste er die Dinge nehmen, wie sie kamen. So kam es dann, dass die Brennkammer der ersten He 112, die von Marienehe nach Neuhardenberg überführt worden war, explodierte und dsa ganze Flugzeug zerriss. Erich Warsitz wurde aus der stehenden Maschine hinausgeschleudert und kam wie durch ein Wunder mit dem Leben davon.
Wenige Tage später gestand er mir (Heinkel) gegenüber. "Herr Doktor, sagte er, ich weiß, das alles kostet wahrscheinlich einen Haufen Geld. Aber wenn Sie uns uns nicht noch einmal eine Maschine geben, müssen wir Schluss machen und die ganze Entwicklung geht dicht vor dem Ziel vor die Hunde." Ich stellte also nochmals eine He 112 zur Verfügung.
Vier Wochen darauf startete Erich Warsitz zum ersten entscheidenden Flug. Er startete mit Motorkraft, betätigte dann das Raketentriebwerk, stellte den Motor ab und schaltete, als er im Gleitflug mit etwa 300 km Geschwindigkeit flog, das Raketentriebwerk völlig ein. Die Maschine erhielt einen solchen Ruck nach vorn, dass der Geschwindigkeitsmesser in Sekundenschnelle 400 Stundenkilometer anzeigte. Dies und was dann folgte, verlief in ganz kurzen Zeiträumen. Erich Warsitz empfand große Hitze in der Kabine. Qualm und Gase drangen in den Führersitz ein. Erich Warsitz rechnete jeden Augenblick damit, dass das Flugzeug explodieren würde. Er schnallte sich los und wollte schon das Kabinendach abwerfen und abspringen, als er sah, dass er sich nur noch in 300 Meter Höhe befand. Zum Absprung hatte er nicht mehr Höhe genug. Da fügte er sich in das scheinbar unvermeindliche und versuchte nur noch zu landen. Er brachte das Fahrwerk nicht mehr heraus. Aber ihm gelang eine Bauchlandung. Kaum hatte er jedoch die Maschine verlassen, als sie zu brennen anfing und nur noch im letzten Augenblick durch die heranbrausende Feuerwehr gelöscht werden konnte.
Das änderte allerdings nicht daran, dass meines Wissens zum ersten Mal ein großes Flugzeug in der Luft durch ein Raketentriebwerk vorwärtsgetrieben worden war.
Wenige Tage später hatten Künzel und seine Leute die Maschine wieder in Ordnung gebracht. Erich Warsitz führte eine Reihe weiterer Flüge aus.
Zunächst startete er immer noch mit Motor. Dann tat er den nächsten wagemutigen Schritt. Er startete mit Motor und Raketentriebwerk gleichzeitig und schoss dabei zu seiner eigenen Überraschung fast senkrecht zum Himmel empor. Im Sommer 1937 startete er zum erstenmal die He 112 ohne Motor, nur mit Raketentriebwerk. Der Start gelang glatt. Unmittelbar nach dem Abheben ging Erich Warsitz in eine Steile hinein, dann flog er eine halbe Platzrunde und schwebte, immer den Feuerschweif hinter sich, an der Platzgrenze zur Landung an, als die Brenndauer des Triebwerkes zu Ende war. Auch die Landung vollzog sich ohne Schwierigkeiten, und von diesem Tag an war endgültig bewiesen, dass der Flug ohne Propeller Wirklichkeit werden würde."
Aber trotz der deutlichen Erfolge, die in Neuhardenberg mit Raketen erzielt worden waren, konnten hier die Versuche nicht fortgesetzt werden, weil der hiesige Flugplatz viel zu klein war. Es sollte ein großangelegter Flugplatz für Raketen aller Art angelegt werden. Wernher von Braun und Erich Warsitz suchten die ganze Ostseeküste ab und fanden schließlich an der abgelegenen und völlig verwilderten Nordspitze der Insel Usedom, Peenemünde, den Platz, der ihnen geeignet erschien, einsam und unbeobachtet, für geheime Arbeit wie geschaffen.
Die Nutzung des Flugplatzes Neuhardenberg im II. Weltkrieg
Bereits am ersten Kriegstag verlegte die zweite Gruppe des Kampfgeschwaders 27 "Boelcke" von Hannover nach Neuhardenberg. Kommandeur dieser Gruppe mit 30 Flugzeugen He 111 war Major de Salengre Drabbe. Nach anfänglich schlechten Wetterbedingungen startete diese Gruppe am 1. September 1939 kurz nach 17.30 Uhr zum Bombenangriff auf das Hauptquartier der polnischen Armee in Warschau-Mokotow. Ein Verband von 30 polnischen Jägern vom Typ PZL P-11 C bedrängte die He 111 Besatzungen, so dass einige ihre Bomben außerhalb des Zielgebiets abwerfen mussten. Nach wenigen Tagen verließ die zweite Gruppe des KG 27 Neuhardenberg wieder.
Im Januar 1940 begann die Flugzeugführerschule C 10 mit dem Schulbetrieb in Fürstenwalde als Hauptplatz und Neuhardenberg und Müncheberg-Eggersdorf als Nebenplätze. In Neuhardenberg waren so etwa 10 Flugzeuge stationiert. Es handelte sich um die Flugzeugtypen Ju 52, Ju 86 und He 111.
Absturz einer He 111 F am 30.05.1942 im Schlosspark Neuhardenberg
Im September 1944 wurde die erste Gruppe des Kampfgeschwaders 53 "Legion Condor" aus Ostfrankreich nach Neuhardenberg verlegt. Die veralteten He 111 wurden zum Abschuss von V1 aus der Luft umgerüstet. Der letzte Abschuss einer V1 gegen England erfolgte im Januar 1945. Das KG 53 hatte dabei große Verluste erlitten. Im Februar 1945 waren in Neuhardenberg 50 Focke-Wulf und 50 Messerschmitt stationiert, welche zum Einsatz gegen die Oderübergänge kamen.
Kampfgeschwaders 53 Besatzung einer He 111
Kommandeur dieser Gruppe war Major Rauer. Die Offiziere wurden im Schloss Neuhardenberg untergebracht, die Mannschaften und Unteroffiziere bei Familien im Dorf.
Major Rauer
Mit dem Heranrücken der Front wurde der Flugplatz aufgegeben. Er wurde nun von Heeresverbänden besetzt. Es handelte sich um Teile der 309. Infanteriedivision und der 9. Fallschirmjägerdivision. Am 19. April 1945 wurde Neuhardenberg durch die 5. Stoßarmee der sowjetischen Truppen eingenommen.
Text ist Quelle: Heimatforscher Ernst Tietze Von einer Verherrlichung der Luftwaffe sehen wir ab.
Bilder: Quelle "Der Flugplatz Neuhardenberg-Marxwalde-Neuhardenberg" Lang/Materna